
Steuerberaterhaftung und ein BGH-Urteil zu Anlagebetrug
12. Mai 2025 | Constantin Behrschmidt
Das Wichtigste in Kürze:
- Steuerberater haften für Berufsfehler und Pflichtverletzungen im Rahmen ihrer Tätigkeit.
- Die Haftpflicht besteht auch dann, wenn bei der Berufsausübung „wider besseres Wissen“ Vermögensschäden entstehen.
- Das macht ein BGH-Urteil deutlich, in dem eine Steuerberaterin wegen Tätigkeit für ein Schneeballsystem haftbar gemacht wurde.
Steuerberaterhaftung – Augen verschließen schützt nicht vor Schadensersatzpflicht!
Steuerberater gehen mit ihrer Berufsausübung Haftungsrisiken ein und sind bei Berufsfehlern oder Pflichtverletzungen in der Schadensersatzpflicht. Die allgemeinen Berufspflichten eines Steuerberaters sind in § 57 StBerG geregelt. Ein Steuerberater hat danach seinen Beruf „…unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben.“ Er muss sich außerdem „…jeder Tätigkeit … enthalten, die mit (seinem, d.A.) Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist.“
Die Grenzen, dessen was noch zulässig ist oder nicht mehr mit den Prinzipien des Berufsstandes vereinbar ist, sind dabei nicht selten fließend. Das zeigt ein höchstrichterliches Urteil. Der BGH hatte im November 2024 über einen Fall zu entscheiden, bei dem eine Steuerberaterin wegen Beihilfe zum Anlagebetrug in Haftung genommen werden sollte, obwohl sie nur mittelbar involviert war.
Steuerberaterin unterstützt durch Tätigkeit Schneeballsystem
Die Steuerberaterin war seit 2011 für ein Unternehmen aus dem IT-Sektor tätig. Dessen Geschäftsmodell bestand darin, internationalen Firmen, Industrieunternehmen und staatlichen Institutionen IT-Infrastruktur zur Datenspeicherung zur Verfügung zu stellen. Die dafür notwendigen Datenspeicher (Storage-Systeme) sollten über Anlegergelder finanziert werden. Private Investoren erwarben dabei die Datenspeicher und vermieteten sie an die Firma zurück. Diese vermietete sie dann ihrerseits an Kunden weiter. Mit dem Modell sollten Renditen von acht bis zwölf Prozent erzielt werden können.
Soweit so gut – für nicht wenige Anlageinteressierte klang dies einleuchtend. Und attraktiv war das Renditeversprechen auch. Der in Aussicht gestellte „Mehrwert“ lag deutlich über den Renditen anderer Kapitalanlagen. Was sich auf dem Papier gut ausmachte, sah allerdings in der Realität ganz anders aus. Nur ein Bruchteil des angegebenen Geschäftes kam tatsächlich zustande. Und der den Anlegern versprochene Speicherkauf fand praktisch nicht statt. Die anfänglichen Ausschüttungen wurden zum größten Teil mit nachfließenden Anlegergeldern finanziert, ein großer Teil der Investorengelder wurde zweckfremd ausgegeben.
Es handelt sich um ein typisches Schneeballsystem, das früher oder später zusammenbrechen musste. So war es auch in diesem Fall. Die Firma meldete 2017 Insolvenz an. Der Schaden war immens und belief sich auf mehrere Millionen Euro. Wenig überraschend drangen die geprellten Anleger auf Schadensersatz. Dabei geriet neben den Betreibern des Geschäftsmodells auch die Steuerberaterin ins Visier.
Steuerberaterhaftung entsteht nicht erst bei Wissen
Sie war mit einem der Geschäftsführer der Firma verheiratet und hatte neben der Steuerberatung für das Unternehmen auch die Buchhaltung erledigt. In dem der Insolvenz folgenden Strafverfahren hatte sie nach einem Geständnis eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten. Im parallel stattfindenden Zivilprozess, in dem es um den Schadensersatz ging, hatte sie dann das Geständnis widerrufen. Tatsächlich habe sie von dem Schneeballsystem keine Ahnung gehabt und sich rein auf ihre Steuerberateraufgaben konzentriert. Mit dieser Argumentation bestritt sie die Schadensersatzpflicht.
Zwei Instanzen – ein Landgericht und das Berufungsgericht – folgten ihr. Die BGH-Richter sahen die Sache anders. Dabei wurde nicht verkannt, dass die Steuerberaterin nur „neutrale“ Handlungen vorgenommen hatte. Das schütze aber nicht vor der Beihilfe zum Anlagebetrug, so die BGH-Richter. Im Hinblick auf die Haftung sei es nicht zwingend notwendig, dass die Steuerberaterin positiv um das Schnellballsystem wusste. Es genüge, dass sie dies für sehr wahrscheinlich oder zumindest überwiegend wahrscheinlich halten musste und ihre Tätigkeit trotzdem fortsetzte. Die BGH-Richter sahen das aufgrund zahlreicher Indizien, die der Beraterin hätten auffallen müssen, als gegeben an. Auf der Grundlage des BGH-Urteils muss das Berufungsgericht – ein OLG – jetzt eine neue Entscheidung treffen.
Vorsatz oder wissentliche Pflichtverletzung?
Ob die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Steuerberaterin im vorliegenden Fall leistet, ist eine interessante Frage. Der Versicherungsschutz besteht zwar üblicherweise auch bei einfacher oder sogar bei grober Fahrlässigkeit. Allerdings sind vorsätzliche Pflichtverletzungen von der Leistung ausgeschlossen. Das gilt ganz überwiegend auch für sogenannte „wissentliche Pflichtverletzungen“. Der Begriff der wissentlichen Pflichtverletzung ist zwar unscharf. Es ist aber gut möglich, dass er hier zum Tragen kommt.
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