Die PAO-Reform – Wissenswertes zu Versicherungspflichten für patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften
Die am 1. August 2022, in Kraft getretene große BRAO-Reform hat auch das Recht der patentanwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften grundlegend reformiert. Der entsprechende Abschnitt in der Patentanwaltsordnung (PAO) über die berufliche Zusammenarbeit (§§ 52b bis 52p PAO) wurde neu gefasst.
Eine wesentliche Neuerung betrifft die nachhaltige Ausweitung des Rechtsformspektrums für patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften. Nach der PAO-Reform stehen jetzt praktisch alle Rechtsformen zur Verfügung, die nach deutschem Recht, europäischem Recht oder dem Recht in einem EU-Mitgliedstaat bzw. einem Mitgliedsstaat des EWR-Raums zulässig sind. Interessant dürfte vor allem die mögliche Nutzung von handelsrechtlichen Gesellschaftsformen nach deutschem Recht wie der OHG oder GmbH sein.
Änderungen beim Berufshaftpflichtschutz für Berufsausübungsgesellschaften
Neu gefasst wurden außerdem die Vorgaben zur Berufshaftpflichtversicherung. Hier gelten die gleichen Regelungen wie bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften. Das sind die wesentlichen Neuerungen:
- Berufsausübungsgesellschaften ohne Haftungsbeschränkung müssen erstmals über einen eigenen Berufshaftpflichtschutz verfügen. Die Mindestversicherungssumme je Versicherungsfall beträgt 500.000 EUR (§ 52n Abs. 3 PAO). Eine Begrenzung der Jahreshöchstleistung auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme, mindestens aber die Mindestversicherungssumme multipliziert mit der Zahl der Gesellschafter zzgl. Nicht-Patentanwalt-Geschäftsführer, ist zulässig (§ 52n Abs. 4 PAO).
- wie bei anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften wurde die „kleine“ patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaft eingeführt. Bei Gesellschaften mit bis zu zehn Berufsträgern kann die Mindestversicherungssumme auf eine Mio. EUR je Versicherungsfall beschränkt werden. § 52n Abs. 4 PAO gilt entsprechend. Diese Regelung stellt eine Erleichterung für kleinere Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung dar.
Mindestversicherungssummen und Jahreshöchstleistung nach PAO-Reform
Mindestversicherungssumme (pro Fall) | Jahreshöchstleistung | Mindestversicherungssumme zur Haftungsbegrenzung durch Allgemeine Auftragsbedingungen (AAB) | |
---|---|---|---|
Einzelkanzlei | 250.000 EUR | 1.000.000 EUR | 1.000.000 EUR |
PartG / GbR / oHG | 500.000 EUR | mind. 2.000.000 EUR* | 2.000.000 EUR |
PartG mbB / GmbH / AG / GmbH & Co. KG | ≤ 10 Berufsträger 1.000.000 EUR > 10 Berufsträger 2.500.000 EUR | ≤ 10 Berufsträger mind. 4.000.000 EUR* > 10 Berufsträger mind. 10.000.000 EUR* | ≤ 10 Berufsträger 4.000.000 EUR > 10 Berufsträger 10.000.000 EUR |
Was gilt bezüglich Berufshaftpflichtschutz bei AGB-Haftungsbeschränkung?
Neben der Haftungsbeschränkung qua Rechtsform ist eine Haftungsbeschränkung durch schriftliche Vereinbarung oder durch vorformulierte Vertragsbedingungen (AGB) möglich. Praktische Bedeutung hat vor allem die AGB-Haftungsbeschränkung für Fälle einfacher Fahrlässigkeit. Hier erlaubt die PAO eine Beschränkung auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme (§ 45b Abs. Nr. 2 PAO). Bei Berufsausübungsgesellschaften ohne Haftungsbeschränkung ist demnach eine Haftungsbegrenzung auf zwei Mio. EUR je Versicherungsfall möglich, bei kleinen Berufsausübungsgesellschaften mit Haftungsbeschränkung auf vier Mio. EUR und bei sonstigen Berufsausübungsgesellschaften mit Haftungsbeschränkung auf zehn Mio. EUR.
Voraussetzung für die Haftungsbegrenzung ist stets, dass mindestens ein Versicherungsschutz in Höhe des Betrags der AGB-Haftungsbegrenzung besteht. Daraus folgt für patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften: es muss ein deutlich höherer Berufshaftpflichtschutz vereinbart werden als durch die Rechtsform vorgegeben wird. Praktisch bedeutsam ist das vor allem bei Berufsausübungsgesellschaften ohne Haftungsbeschränkung, die ihre Haftung über die AGB beschränken wollen.
Bürogemeinschaften nach der Patentanwaltsordnung
Die Bürogemeinschaft bringt in Verbindung mit § 52q PAO n.F. wesentliche Änderungen mit sich da die berufliche Zusammenarbeit bislang über § 52a PAO geregelt war und somit der Sozietät gleichgestellt wurde. Somit wird in Zukunft die Bürogemeinschaft klar getrennt betrachtet. Die Bürogemeinschaft dient der gemeinsamen Organisation des Berufsbildes und nicht der gemeinschaftlichen Berufsausübung wodurch die Bürogemeinschaft nicht als Vertragspartner angesehen werden kann. Auch eine Zulassung der Bürogemeinschaft ist nicht möglich.
Berufshaftpflichtschutz bei interprofessioneller Berufsausübung
Vor der PAO-Reform durften Patentanwälte nur mit Berufen vergleichbaren Berufsrechts (Steuerberater, Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfe, vereidigte Buchprüfer) interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften bilden. Mit der Reform wurden diese Möglichkeiten erweitert. Interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften sind jetzt mit allen freien Berufen im Sinne von § 1 PartGG zulässig. Bezüglich der Berufshaftpflichtversicherung sollte der Grundsatz des strengsten Berufsrechts gelten.